Der eingebildete Kranke

2008

Unsere Co-Produktion mit Teatro Vento

Regie: Annarita Vintan-Hann

„Bei den Preisen kann sich bald keiner mehr erlauben, krank zu sein!“

Herr Argan bildet sich ein, krank zu sein. Er ist das, was man gemeinhin einen Hypochonder nennt. (Hypochondrie ist eine psychische Störung, bei der die Betroffenen unter ausgeprägten Ängsten leiden, ernsthaft krank zu sein, ohne dass sich dafür ein objektiver Befund finden lässt. (Quelle: www.wikipedia.de)

Vertrauensvoll und geduldig unterwirft sich Argan seinen quacksalbernden Ärzten und führt ihre Anweisungen aufs Genaueste aus. Dabei wird er ständig und skrupellos übers Ohr gehauen. Eigentlich weiß er das, jedoch behält seine Hypochondrie über seine Vernunft die Oberhand.

Zudem beeinträchtigt der Wahn, ernsthaft krank zu sein, auch sein Verhalten gegenüber seiner Familie.

Er drangsaliert seine Töchter und lässt sich von seiner schönen zweiten Frau hinters Licht führen. Alle gut gemeinten Ratschläge schlägt er in den Wind. Mit tatkräftiger List, mit Humor und gesundem Menschenverstand gelingt es schließlich der Haushälterin Toinette unterstützt von Béraldine, Argans Schwester, das Schlimmste abzuwenden.

 

Die Volkskunstbühne Rheinfelden und das Teatro Vento aus Steinen-Hägelberg spielen gemeinsam Molieres „Eingebildeten Kranken“.

Einige Spielerinnen, Spieler und die Regisseurin Annarita Vintan-Hann vom Teatro Vento sind schon seit längerem in beiden Gruppen „Zuhause“. So hat man sich gern zu einer Co-Produktion zusammengefunden.

Besetzung

Personen und ihr Darsteller/innen:

Argan, eingebildeter Kranker

Hermann Seidel

Béline, Argans zweite Frau

Annabell Glaser

Angélique, Argans Tochter

Deborah Blank

Louison, Argans jüngere Tochter

Lara Hann

Béraldine, Argans Schwester

Anna Zubeil

Cléante, Geliebter von Angelique

Mario Hann

M. Diafoirus, Arzt

Klaus Ciprian Beha

Thomas Diafoirus, sein Sohn

Hansi Gempp

M. Purgon, Argans Arzt

Hansi Gempp

M. Fleurant, Apotheker

Klaus Ciprian Beha

M. Bonnefoy, Notar

Dietmar Fulde, Felix Palladino

Toinette, Haushälterin

Claudia Palladino

 

 

Bühnenbild:

Wernt Hann

Bühnenarbeit:

Bernd Futterer, Gerold Depner und Hans-Peter Hochadel

Kostüme:

Gerlinde Schonhardt und Rosmarie Gempp

Licht, Musik und Technik:

Detlef Hann und Mario Hann

 

Handlung

Von Molière (Jean-Baptiste Poquelin) 1622 - 1673

"Bei den Preisen kann es sich ja bald keiner mehr leisten, krank zu sein!"

Das Stück „ Der eingebildete Kranke“ ist Molières grosses Meisterwerk und ist sein letztes. Er selbst spielte den Argan und starb nach der vierten Vorstellung. Dies rückt die Sichtweise auf das Stück in ein anderes Licht.

Die Handlung folgt einem traditionellen Schema...

Argan hat wie jeder Protagonist bei Molière einen dominierenden aber destruktiven Charakterzug, in diesem Fall ist es die Hypochondrie. Er wird schamlos von Apothekern und Ärzten ausgenutzt, die ihm obendrein sogar einen angehenden Mediziner als Schwiegersohn aufzwingen wollen. Dazu kommt noch, dass seine zweite Frau ihn von seiner Tochter zu trennen versucht. Durch das energische Eingreifen seiner Haushälterin Toinette und seiner Schwester Béraldine gelingt es, den Betrügereien ein Ende zu setzen und Angélique, Argans Tochter, kommt schliesslich doch noch mit Cléante, ihrem Geliebten zusammen.

Der eingebildete Kranke ist Molières „Testament“. Der Autor greift noch einmal seine Lieblingsthemen auf: die Manie des Protagonisten, die Bedrohung des ehelichen Glücks und der Kinder durch den väterlichen Wahn, die Hypochondrie und die väterliche Tyrannei, und im Gegensatz dazu zwei warnende weibliche Stimmen der Vernunft. (Ursprünglich eine männliche und eine weibliche: In der Originalfassung ist Béraldine Argans Bruder Beralde).

In unserer Inszenierung wird auf den ursprünglich musikalischen Rahmen der Handlung verzichtet. Diese Szenen sind aus praktischen Gründen gestrichen worden. Auf die karnevalistische Atmosphäre durch Gesang und Ballett um die raue Wirklichkeit der Todesnähe mit märchenhafter Pastorale zu schmücken wird aus Gründen einer Annäherung an die heutige Realität verzichtet. Dies zudem fest vertrauend auf den Molièreschen Text, der eine unglaubliche Vielfalt an Spielmöglichkeiten liefert.

 

Es ist zu bemerken, dass Molière äußerst schwierig zu spielen ist; es bedarf einen schnellen Rhythmus und die Pointen sollten unterspielt werden. Hinzu kommt die Interpretation der Charaktere durch die Körpersprache.

Tragische Ironie, Verzweiflung, vorgegaukelte Liebe und falsche Fürsorge, Ignoranz, Dreistigkeit, Habgier, Härte, Natürlichkeit, Freude, Schmerz, Trauer, Naivität, Dummheit, Ignoranz, groteske geistige und physische Behinderung, Mut und Mütterlichkeit sind nur einige der Zustände menschlichen Befindens, die im Stück sprachlich angelegt und vor allem körperlich gestaltet werden müssen.

 

Molières Lebensgeschichte und die Entstehung der Comédie-Française

 

Molière teilt mit Shakespeare, dass bis auf einige Unterschriften keine Zeile seiner Hand, kein Manuskript, kein Brief von ihm überliefert ist. Trotzdem ist es gelungen, sein Leben bis auf einige Dunkelheiten aufzuhellen. Bekanntlich ist der Name Molière nur ein Pseudonym. Der wirkliche Name des Dichters war Jean-Baptiste Poquelin-Molière.

Molières Mutter vererbte ihm ihre schwache Gesundheit. Sie starb als Jean-Baptiste 11 Jahre alt war. Sein Vater brachte es durch das Amt des Kammerdieners und seiner Stellung am königlichen Hofe, er trug den Titel eines königlichen Hoftapezierers, zu einigem Wohlstand..

Als echtes Großstadtkind wuchs er im innersten Paris auf. Er besuchte wahrscheinlich die Pfarrschule, machte dann bei seinem Vater die Lehre als Tapezierer und wurde schließlich auf das 1618 von den Jesuiten eröffnete Collège de Clermont geschickt, die vornehmste, selbst von königlichen Prinzen besuchte Erziehungsanstalt des Landes. Hier erhielt er eine vortreffliche Bildung, studierte später wahrscheinlich Jura, amtierte vielleicht auch kurze Zeit als Advokat und scheint daneben mit Freunden ein wildes Kneipenleben geführt zu haben.

Seine Theaterleidenschaft erwachte früh, und als sich die heftige Neigung zu Madeleine Béjart dazugesellte, einer hübschen und auf die Tugendrose keinen Anspruch erhebenden Schauspielerin, war sein Entschluss gefasst. Gegen den Willen des Vaters schloss sich Molière um 1643 den vom guten Bürgerstande verachteten Komödianten an.

Aus dem Tapezierersohn Jean-Baptiste Poquelin wurde der Schaupieler Sieur de Molière. Er gründete mit seiner Geliebten Madeleine Béjart und anderen jungen Leuten in Paris eine neue Bühne, das "Illustre Théâtre", aber trotz des hochtönenden Namens konnte sich die Gründung gegen die beiden anderen Pariser Schauspielgesellschaften, die königlichen, im Hotel de Bourgogne spielenden grands comédiens, und die im Théâtre du Marais spielenden petits comédiens, nicht behaupten. Nach knapp eineinhalb Jahren brach das "hochberühmte" Theater zusammen, und die zuletzt noch übrig gebliebenen Mitglieder schlossen sich einer der die Provinz bereisenden Wandertruppen an. Etwa von 1646 bis 1658 durchzog Molière erst als Mitglied, dann als Autor und Direktor der du Fresneschen Truppe das Land, lernte dabei fast ganz Frankreich kennen und erwarb sich eine gute Theaterpraxis.

Im Herbst 1658 machte Molière, besser gerüstet als 14 Jahre vorher, dann einen zweiten Versuch, Paris zu erobern. Es gelang ihm, für seine Gesellschaft den Titel "Truppe des einzigen

Bruders des Königs" zu erhalten und er durfte mit ihr schon einige Wochen nach seinem Eintreffen vor dem König spielen. In einer seltsamen Verkennung seiner Fähigkeiten wählte er für diese Vorstellung eine Corneillesche Tragödie und hätte fast alles damit verdorben, wenn er in der Not des Augenblicks nicht noch eine eigene kleine Farce zugegeben hätte.

Damit gewann er den König, und in Kürze errang er sich nun auch mit seiner erst 12, dann 15 ordentliche Mitglieder zählenden Truppe eine feste Position in der Hauptstadt, - wenigstens auf komischem Gebiet. Dass Molière vielen nur als Possenreißer galt, dass auch der König, der ihn sehr schätzte, ihm eine Pension bewilligte und bei seinem ersten Kinde Patenstelle übernahm, von seiner eigentlichen Bedeutung keine Ahnung hatte, sondern ihn mehr als brauchbaren Festarrangeur und Spaßmacher betrachtete, hat den Dichter gewiss oft gekränkt.

Molières Truppe spielte zuerst im Saal des Petit-Bourbon, dann in dem des Palais-Royal. Hier kamen zum ersten mal all die Werke auf die Bühne, auf die noch heute ganz Frankreich stolz ist.

 

Er wurde reich und dies erlaubte ihm, seinem Hange zum Luxus nachzugeben. Und da auch seine literarische Stellung immer günstiger wurde, hätte er glücklich sein können, doch sein Privatleben liess dies wohl nicht zu. Molière hatte mit den Frauen nie viel Glück gehabt. Die Beziehung, die er mit Madeleine Béjart hatte und die Liebschaften, die ihm als Direktor mit anderen schönen Schauspielerinnen seiner Truppe nachgesagt werden, haben ihm das leben schwer gemacht.

Der Vierzigjährige verliebte sich mit wilder Leidenschaft in die 19jährige Armande Béjart, die er 1662 heiratete. Nach der offiziellen Version war sie die jüngste Schwester, nach einer immer wieder auftauchenden Behauptung, die nicht kurzerhand abgelehnt werden kann, die Tochter seiner langjährigen Geliebten Madeleine Béjart.

Zu alledem wurde er schon 1665 schwer krank. Es wurde schlimmer mit ihm, und schon während der Proben zum "Eingebildeten Kranken" fühlte sich der Dichter sehr elend. Vor der 4. Vorstellung des Stückes, am 17. Februar 1673, beschwor ihn seine Frau, sich doch Ruhe zu gönnen und nicht zu spielen. Er antwortete: "Wie kann ich das? Fünfzig Arbeiter, die nichts als ihren Tagelohn besitzen, sind zur Stelle; was sollen sie tun, wenn ich nicht spiele?" So fand die Vorstellung statt, aber der "Eingebildete Kranke", der da auf der Bühne in dem noch heute von der "Comédie - Française" aufbewahrten Lehnstuhl saß, war ein wirklich Kranker, der bei dem Worte "Juro" einen Krampfanfall bekam und ihn mühsam dem Publikum zu verbergen trachtete. Man brachte ihn nach der Vorstellung nach Hause, wo er einem bösen Hustenanfall mit starken  Blutergüssen starb. Der Priester, nach dem man schickte, erschien nicht rechtzeitig.

Und da kein Priester ihm das Sakrament gereicht hatte, lehnte man die kirchliche Beisetzung zuerst ab: man gewährte sie nur denjenigen Schauspielern, die vor dem Ende ihrem "sündhaften Beruf" reuevoll entsagt hatten.

Schließlich wurde auf einen Wink von oben das christliche Begräbnis vom Erzbischof doch unter der Bedingung bewilligt, dass es nachts, ohne Pomp und ohne besondere kirchliche Feier stattfinde. Man nimmt jedoch an, dass die Leiche auf geheime kirchliche Ordre unmittelbar nach der Bestattung aus der geweihten Erde wieder entfernt und zu einem anderen Teil des Friedhofes gebracht wurde, wo die Selbstmörder und die ungetauften Kinder ruhten.

Die Molièresche Truppe überwand die durch den Tod ihres Leiters veranlasste Krise und vereinigte sich 1680 mit den königlichen Schauspielern vom Hotel de Bourgogne. Aus dieser vom König gewünschten Verschmelzung der beiden Pariser Theater - das Maraistheater hatte seine Vorstellungen inzwischen eingestellt - ging die noch heute blühende Comédie - Française hervor, die also mit Recht ihren Ursprung auf Molière zurückführt.

Aus "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse.

 

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